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Adelstitel – was ein „von“ im Namen bringt

Im Arbeitsalltag kommen Kandidaten mit Adelstitel oft weiter als andere. Warum ist das so? Wir haben mit Experten und Gründern gesprochen.

Für den neuen Job kommen zwei Bewerber infrage, aber welcher ist mehr geeignet? Gustav Schreiner, 28, BWL-Absolvent aus Köln, gute Noten, spannende Praktika. Oder Martin von Andechs, 29, BWL-Student aus Bonn, gute Noten, interessante Praktika. Beide Bewerbungsbögen sind fotolos und fehlerfrei.

Für den Wirtschaftspsychologen Uwe Kanning von der Hochschule Osnabrück ist die Sache klar: „Wahrscheinlicher ist, dass der Kandidat mit dem Adelstitel die Stelle bekommt.“ In einer Studie hat er 800 Probanden verschiedene Lebensläufe vorgelegt. Ein Großteil der Befragten arbeitet beruflich im Personalwesen, entweder als Rekrutierer oder als Führungskraft.

Aufgabe war, die Lebensläufe anhand von verschiedenen Punkten zu bewerten, beispielsweise wie intelligent, kreativ und teamfähig die Bewerber erscheinen. Danach sollten die Probanden entscheiden, wie wahrscheinlich es ist, dass die Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und später auch eingestellt werden. Die Lebensläufe waren inhaltlich identisch, die Bewerber unterschieden sich nur beim Geschlecht – und beim Namen. Denn einige trugen ein „von“ im Namen. Andere nicht.

Adlige Bewerber werden bevorzugt

Das Ergebnis: Kandidaten mit Adelstitel waren in manchen Bereichen klar im Vorteil. „Man hielt sie zwar nicht für kreativer oder intelligenter als andere Bewerber, aber für durchsetzungsstärker“, erzählt Kanning. Außerdem habe man ihnen mehr Führungskompetenz zugetraut – also die Fähigkeit, die für gehobene Positionen wichtig ist. Zudem glaubten die Probanden, dass Kandidaten mit adligen Namen eher eingestellt würden als andere – noch ein Plus.

Obwohl Rekrutierer geeignete Kandidaten anhand von objektiven Kriterien bewerten sollten, machen viele das offensichtlich intuitiv – also aus dem Bauch heraus. „Sie verlassen sich zu sehr auf ihre vermeintliche Menschenkenntnis“, findet Kanning. Und das sei ein Fehler. Denn das Unternehmen bekomme so nicht unbedingt den besten Bewerber für eine Stelle: „In der täglichen Arbeit zeigt sich, ob der Kandidat wirklich der Richtige für den Job ist.“

Rund 80.000 Adlige gibt es in Deutschland. Rechtliche Vorteile haben sie seit Inkrafttreten der Weimarer Verfassung nicht mehr. Dennoch können sie offenbar immer noch an manchen Orten von ihrem besonderen Namen profitieren. „Ein Adelstitel ist ein gutes Merkmal, um aus der Menge heraus zu stechen“, sagt der Adelsexperte Michael Hartmann.

Damit verbinden viele Menschen den klassischen Hochadel. Also die wenigen Familien, die riesige Besitztümer leiteten, viele Beschäftigte hatten und eine ausgezeichnete Bildung genossen. Ihre Nachkommen halten Personal-Entscheider heute noch für disziplinierter, selbstsicherer und entscheidungsstärker als andere Kandidaten – zumindest unterbewusst.

In bestimmten Bereichen seien solche Mitarbeiter besonders gefragt, beispielsweise im Privatkunden-Geschäft, erzählt Hartmann: „Ich kenne eine Beratungsfirma, in dem bis vor ein paar Jahren jeder Mitarbeiter einen Adelstitel hatte, von der Empfangsdame bis zum Manager.“

Geschrieben von Anne-Katrin Schade