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80 000 „Blaublüter“ in Deutschland

Viele Nachkommen der einst vertriebenen Adelsfamilien engagieren sich nicht nur für das Erbe, sondern auch in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft

von Thomas Volgmann

Bundesweit gibt es nach Schätzungen der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände (VdDA) rund 80 000 „Blaublüter“ – aber nur wenige davon leben in Ostdeutschland. Konkrete Angaben hat die Leiterin der Geschäftsstelle, Claudia Becker, nicht. „Es gibt keine Statistik, und nach Regionen schon gar nicht, die den Adel ausweist“, sagte auch der Leiter der Stiftung Deutsches Adelsarchiv, Christoph Franke. Es mangele an zuverlässigen Zahlen. Auch weil der Stand 1919 mit der Weimarer Reichsverfassung abgeschafft worden war. Die einstigen Titel sind nur noch Namensbestandteil. Obwohl es auch Ressentiments gibt, öffnet im Osten ein „von“ so manche Tür leichter.

Viele Nachkommen der einst vertriebenen Adelsfamilien engagieren sich nicht nur für das Erbe, sondern auch in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Sie kauften und pachteten alten Besitz - nur wenige bekamen ihn zurück -, renovierten Herrenhäuser und Schlösser, bauten Betriebe wieder auf, manchmal auch gegen Widerstände. Sie sind Land- und Forstwirte oder Winzer, sitzen in Parlamenten, führen Museen und veranstalten Kulturfestivals. Familien, die ihr meist gut situiertes Leben im Westen aufgegeben hätten, seien Einzelfälle, sagte Becker. „Häufig haben die Leute beide Wohnsitze behalten.“ Nach Einschätzung der Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Martina Weyrauch, führen die meisten von ihnen kein abgeschottetes Leben. Vielmehr fühlten sich die Familien der Gemeinschaft verpflichtet und seien Teil der Kulturgeschichte Brandenburgs und Deutschlands. „Diese Verantwortung nehmen sie an.“ Die Mehrheit wirkt im Verborgenen, bewegt Dinge vor allem im sozialen Bereich, gemäß dem Spruch „Adel verpflichtet“.„
Es geht dabei immer um Nachhaltigkeit“, erklärte Alexandra Prinzessin zur Lippe. Die Familiengeschichte sei oft der Antrieb zur Rückkehr. „Sie verstehen sich als Sachwalter von Vermögen und Eigentum.“ Im Dienste der Familie gelte es, dieses Vermögen zu erhalten und geordnet weiterzugeben an die nächste Generation.